Hans Elstner hat 2016 das Start-up rooom AG gegründet. Zuvor hatte er bereits vier Jahre an einer 3D-Plattform für digitale Räumen gearbeitet. Anfang 2020 wollte der gebürtige Jenenser sein Produkt europaweit auf rund 30 Veranstaltungen, überwiegend Möbelmessen und Co., vorstellen. Daraus wurde Corona-bedingt nichts. Statt Wohnzimmer offerierte die rooom AG im September 2020 der IFA-Berlin mit weltweit rund 200.000 Besuchern die nötigen virtuellen Räume. Im Interview sprechen wir mit Hans Elstner über die Geschwindigkeit seines Erfolgs und Erwähnungen im Forbes-Magazin.
Wann ging es los mit der rooom AG?
2012 habe ich gemeinsam mit zwei Mitarbeitenden meiner damaligen Agentur begonnen, an einer Plattform für 3D-Visualisierung zu arbeiten. Darin steckt einfach meine Leidenschaft. Unsere Vision war es, alle notwendigen Komponenten in einem Browser zu bündeln. Denn man braucht eine Art „Computerspiel-Engine“, aber auch sehr, sehr leistungsfähige Hardware. Wir hatten dann nach fast vier Jahren eine Plattform, die benutzbar war und stark auf Consumer ausgerichtet war. Also jeder konnte diese Plattform nutzen. Damit haben wir erste Businessangels gewonnen und im Jahr 2016 eine Aktiengesellschaft gegründet.
Wie konnten die Investor Days Thüringen dabei unterstützen?
Erst mal haben wir die Entwicklung fortgesetzt und auch mehr Mitarbeitende dazu geholt. Nach zwei Jahren hatten wir dann eine tolle Lösung in 3D-Visualisierung aufgebaut. So sind wir 2018 bei den Investor Days Thüringen an den Start gegangen, um unser Projekt zu pitchen. Damals waren wir ein ganz klassisches Start-up auf der Suche nach Investoren. Wir hatten eine Vision in einem neuartigen Tech-Bereich, der erst mal noch erschlossen werden muss. Und im besten Fall auch funktioniert.
Wir sind dort auf der Bühne angetreten und haben sowohl den Publikums- als auch den Jurypreis gewonnen. Die IDT haben für uns sehr gut funktioniert. Das war für uns sozusagen der Aufschlag von wachsendem Interesse. Hier haben wir erste spannende Gespräche geführt. Auch mit zukünftigen Investoren, wie sich später herausgestellt hat. Denn 2019 haben wir eine Seed-Investment-Runde gemacht und somit das erste Geld eingesammelt. Das war ein sehr guter Aufschlag, um sich weiterzuentwickeln.
Wie ging es nach den IDT weiter?
Wir waren nach einer zweiten Seed-Investment-Runde Anfang 2020 sozusagen „ready-to-go“. Das Produkt war fertig, wir wollten an den Markt und haben bereits mit ersten Kunden gesprochen. Und dann kam die Pandemie um die Ecke.
Was hat die Corona-Pandemie mit Ihnen gemacht?
Das hat uns zunächst ausgebremst, denn viele Kunden, die unsere Technik zur 3D-Visualisierung ihrer Produkte oder für virtuelle Showrooms einsetzen wollten, wussten schlagartig gar nicht wie es weitergeht. Die Unternehmen sind ins Home-Office oder in den Lockdown gegangen und die Marketingbudgets waren eingefroren. Da mussten wir erst mal überlegen, wie es weitergeht. Ursprünglich wollten wir 2020 europaweit auf 30 Messen und Veranstaltungen fahren, um unser Produkt auf Möbelmessen und Co. zu präsentieren. Aber das fiel alles ins Wasser.
Wie ist es Ihnen gelungen, auf die Herausforderungen der Pandemie zu reagieren?
Wir haben eine Session, die sich “incredilabs“ nennt. In diesem Format sitzen wir zusammen, um neue Ideen und Konzepte zu entwickeln. An so einem Abend kam unserem Chief Innovation Officer die Idee, einen großen Showroom zu bauen, den wir als Messehalle nutzen. Darin können sich Firmen einen digitalen Messestand mieten und ihr Produkt präsentieren. Damit wäre uns und auch dem ein oder anderen Unternehmen geholfen.
Und was soll ich sagen: Das ist ganz schön eingeschlagen. Zu diesem Zeitpunkt gab es die Idee einer virtuellen Messe in 3D quasi noch nicht. Wir waren die Ersten, die sowas platziert haben. Und nach kurzer Zeit kam die Messe Berlin auf uns zu, um sich konzeptionell beraten zu lassen. Im September 2020 waren wir dann plötzlich diejenigen, die die IFA Berlin mit weltweit 200.000 Besuchern durchgeführt haben. Das war eine riesengroße Veranstaltung, zu der wir rund um unsere virtuellen Showrooms noch einen ganzen Kosmos gebaut haben – mit Chat, mit Live-Streaming und vielen anderen Networking-Funktionen, die man eben für eine Messe braucht. Und das hat tatsächlich wahnsinnig gut funktioniert.
Welche Türen hat die IFA Berlin für Sie geöffnet?
Anschließend an die IFA Berlin sind viele Firmen auf uns zugekommen. E.ON Innovation, DHL und die Deutsche Telekom haben z.B. unsere Lösungen gebucht. Insgesamt haben wir rund 100 virtuelle Messen bzw. Showrooms in dieser Zeit veranstaltet. Wir haben also unzählige Kunden gewonnen, zu denen wir auch eine engere Kundenbindung aufbauen konnten. Da geht es nicht mehr nur darum, eine Veranstaltung zu ersetzen, sondern auch viele Dinge zu begleiten oder Produkte zu visualisieren.
Sie sind auch über die bm|t finanziert. Wie kam es dazu?
Die ersten Gespräche mit der bm|t haben wir auf den Investor Days geführt. Anschließend ist die bm|t in allen Investment-Runden dabei gewesen, hat uns also auch finanziell unterstützt und mittlerweile ist unser Investment Manager Stephan Beier auch im Aufsichtsrat aktiv (siehe auch das Interview mit Stephan Beier). Dort wird er von mir inflationär konsultiert, denn ich verstehe den Aufsichtsrat weniger als Kontrollinstanz und mehr als Anlaufstelle, um gemeinsam über Entscheidungen nachzudenken. Von daher ist die bm|t für mich ein wichtiger Sparringspartner, der mir geholfen hat, viele Entscheidungen zu treffen. Und auch Kevin Reeder (Anmk. d. Redaktion: CEO der bm|t) hat unsere Vision von Anfang an verstanden. Und das bereits 2018. Das war zu einer Zeit, als überhaupt noch nicht absehbar war, dass Stichworte wie „Metaverse“ und 3D-Visualisierung heute das „neue Normal“ sind. Die bm|t hat diese Vision über die Jahre mitgetragen und uns sogar den ein oder anderen potenziellen Kunden verschafft. Für uns war es dann natürlich auch eine besondere Wertschätzung, die Investor Days Thüringen im Jahr 2020 auf unserer Plattform digital durchzuführen. 2018 haben wir noch selbst an den IDT teilgenommen und zwei Jahre später sind wir diejenigen, die das Ganze virtuell ausrichten. Das ist schon faszinierend.
Was steht denn bei Ihnen in nächster Zeit an?
Es passiert eine ganze Menge. Durch den Digitalisierungsdruck holen die Unternehmen auf, was Bereiche wie virtuelle Showrooms, Produktvisualisierung oder Konfiguratoren im E‑Commerce angeht. Davon profitieren wir. Wir stellen uns auch in der Erstellung von 3D-Modellen auf Basis von Fotos auf. Da arbeiten wir derzeit an Digitalisierungsmöglichkeiten durch 3D-Scan. Solche Lösungen sind beispielsweise für die Möbelbranche sehr interessant.
Auch Themen wie Metaverse und das Web 3.0 kommen mit großen Schritten auf uns zu. Dieses „neue“ Web wird zahlreiche dreidimensionale Inhalte haben, aber auch via Virtual-Reality-Brillen konsumierbar sein. Das ist ein großer Trend. Das Forbes-Magazin titelt in diesem Zusammenhang über uns „Democratizing The Metaverse: One Vision Of An Accessible Future For AR, VR, Virtual Events, And More.“ Wir sind also diejenigen, die das Ganze zugänglich und erreichbar machen. Gleichzeitig wurden wir auf eine Liste der 15 vielversprechendsten Metaverse-Firmen gesetzt. Das adelt uns.
Wie fühlt sich das an?
Da reibt man sich manchmal die Augen. Das ist eine wahnsinnige Geschwindigkeit, mit der wir unterwegs sind. Die IFA Berlin war für uns ein Meilenstein, das muss man ganz klar sagen. Und wenn wir zurückdenken, dass die IFA erst im September 2020 stattgefunden hat und wir uns dann überlegen, was seitdem alles passiert ist. Das ist wirklich verrückt.
Was sind Ihre Visionen für die Zukunft?
Wenn sich alles so weiterentwickelt, dann wollen wir Marktführer im 3D-Marketing werden. Unsere Vision ist, dass die rooom AG die Standardlösung für 3D-Marketing anbietet. Und so schnell, wie sich diese Branche bewegt, wird das wahrscheinlich nicht erst in zehn oder 20 Jahren so weit sein.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview wurde von Tina Zimmermann (Thüringer Aufbaubank) geführt.