Im bm|t‑Interview wird es dieses Mal magisch: Wir treffen Klaus Berka, Gründer und langjähriger Unternehmenschef der Analytik Jena AG, im Märchenwald Saalburg. Im Erlebnispark, den er 2019 übernommen hat, ganz in der Nähe der Bleilochtalsperre, arbeitet der 74-jährige inzwischen als Geschäftsführer.
Zum 20-Jährigen Jubiläum der bm|t blicken wir auf die Anfangszeit der Analytik Jena zurück. Die Idee zur Gründung kam dem gelernten Chemielaboranten noch während seiner Zeit bei der Carl Zeiss Jena GmbH.
Die Gründung der Analytik Jena GmbH im Frühjahr 1990 gehört zu den ersten Firmengründungen in der Wendezeit. Wie ging es los?
Die Wendejahre waren eine bewegende Zeit mit vielen Umbrüchen. Aber ich habe es auch als Chance gesehen, denn ich und meine Arbeitskollegen bei Zeiss, Walter Maul sowie Jens Adomat, hatten verschiedene Ideen. Die gingen anfangs gar nicht immer in die Richtung der Analysetechnik. Auch als Taxifahrer habe ich mich kurzfristig gesehen (lacht). Am Ende haben wir aber entschieden, wir machen das was wir am besten können: Wir gründen eine Vertriebsfirma für Analysemessgeräte. Im ersten Schritt haben wir West-Firmen angeschrieben, um das Interesse für deren Vertrieb im Osten abzufragen. Wir hatten eine gute Resonanz. Dann ging alles ganz schnell und wir haben am 24. April 1990 mit der Nummer HRB 27 die Analytik Jena GmbH in das Handelsregister eintragen lassen. Und am 1. Mai 1990 haben wir auf eigenen Füßen gestanden.
Was waren die nächsten Meilensteine?
Der Vertrieb für drei Firmen aus dem Westen lief sehr gut an, aber wir haben schnell festgestellt, dass wir auch eigene Produkte brauchen. Mit der Ilmenauer Firma IDC Langewiesen sind wir schon 1993 unsere erste Beteiligung eingegangen, um eigene Produkte zu verkaufen und auch zu entwickeln. Ein ganz wichtiger Meilenstein folgte im Jahr 1995. Wir hatten die Möglichkeit die Laboranalysetechnik der Carl Zeiss Jena GmbH zu kaufen. Im Dezember 1995 wurden die Verträge unterschrieben. Wir hatten Verantwortung für Forschung und Entwicklung, für Fertigung eigener Produkte und zusätzlich 30 Zeiss-Mitarbeiter übernommen. Plötzlich waren wir nicht mehr nur ein Vertriebsunternehmen, sondern auf einem Schlag ein Unternehmen mit großer Infrastruktur. Das war eine große Herausforderung – auch finanziell. Wir mussten zur Finanzierung viele persönliche Bürgschaften aufnehmen. Und ich sage mal so: Bei der allerersten Unterschrift unter einer Summe von 500.000 Euro hat die Hand schon recht ordentlich gezittert (lacht). Später als das Volumen auf 8 Million – jeweils für beide Gesellschafter – angestiegen war, saß die Unterschrift dann locker und perfekt! Die Summe lag damals jenseits unserer Vorstellungkraft. Aber wir haben an uns geglaubt.
Im Jahr 2000 erfolgte der Börsengang der Analytik Jena. Wie haben Sie diese Zeit empfunden?
Im Jahr 1998 sind wir der Jenoptik AG aufgefallen, die sich kurze Zeit später an uns beteiligt hat. Im damaligen Finanzvorstand Alexander von Witzleben hatten wir aber auch einen guten Berater, der uns einen Börsengang nahegelegt hat. Große Thüringer Unternehmen, wie die Intershop AG oder die Carl Zeiss Meditec AG, machten es uns vor. In dieser Zeit haben die Jenaer Unternehmen viel erlebt. Knapp 10 Jahre nach der Gründung führten wir am 2. Juli 2000 den Börsengang durch. Damit konnten wir uns von den Investoren viel Geld holen – insbesondere auch um den internationalen Vertrieb voranzubringen.
Stichwort Investoren: Wie konnte die bm|t unterstützen?
Die Beteiligung der bm|t war für uns eine unglaublich gute Entscheidung. Wir sind schnell gewachsen. Bei mehreren Kapitalerhöhungen war die bm|t für uns immer ein wichtiger Ansprechpartner, aber auch das Netzwerk zu Jenoptik und Zeiss hat geholfen. Für uns war die Beteiligung der bm|t immer ein wichtiger Faktor, der uns börsennotierten Thüringer Unternehmen viel Rückendeckung gegeben hat. Was die bm|t für das Land Thüringen tut, ist sehr wichtig und wertvoll. Das Team um Kevin Reeder macht einen tollen Job. Dieses Lob möchte ich an dieser Stelle gerne aussprechen.
Wie ging es nach dem Börsengang weiter?
Wenn man wachsen will, muss man sich breiter aufstellen. Hierfür haben wir entsprechende Strukturen in Forschung und Entwicklung geschaffen. Beim Börsengang im Jahr 2000 spielte neben der klassischen Analytik, mit der wir groß geworden sind, auch der Life-Science-Bereich eine Rolle. Wir begannen Geräte für diesen wachsenden Markt zu entwickeln. Später wagten wir uns sogar in den hart umkämpften Realtime-PCR- Markt vor. Ausgezahlt hat sich das dann später als die Corona-Pandemie die Welt in Atem hielt.
In den Folgejahren nach dem Börsengang haben wir zahlreiche Unternehmen in das Portfolio akquiriert. Auch eine Firma in den USA wurde erworben, um den Eintritt in den weltgrößten Markt umzusetzen. Mit der Technologie-Akquise im Bereich „Massenspektronomie“ haben wir eine wichtige Produkttechnologie in unserem Portfolio ergänzt. So hat sich die Analytik Jena Schritt für Schritt zu einem internationalen Unternehmen mit einem Umsatz von über 100 Millionen Euro entwickelt.
Sie haben sich im Jahr 2016 aus dem operativen Geschäft zurückgezogen. Was war bei der Unternehmensübergabe für Sie besonders wichtig?
Ich war damals 67 Jahre alt und wollte die Unternehmensübergabe auf jeden Fall begleiten, solange ich noch fit bin. Denn die Übergabe vom Gründer an den neuen CEO ist ein sensibler Schritt für alle Beteiligten. Anschließend sollte aber auch ein sauberer Schnitt gezogen werden, denn ich glaube es ist nicht optimal, wenn der Gründer noch ganz lange mit dabei ist.
Mein Rückzug war aber gemeinsam mit der Endress+Hauser Gruppe sehr gut vorbereitet. Die Schweizer haben Analytik Jena im Jahr 2013 in einer schwierigen Phase übernommen. Das war unser großes Glück, denn die Unternehmensgruppe investiert in den Thüringer Standort und die Marke „Analytik Jena“ wurde weitergeführt. Dafür bin ich dem Management der E+H Gruppe sehr dankbar.
Worauf sind Sie besonders stolz?
Man muss den Mut haben etwas zu tun. Ich hatte immer Ideen – auch heute noch. Es geht um den Mut, Entscheidungen zu treffen und man muss als Unternehmer bereit sein, Risiken einzugehen. Und ein bisschen Glück gehört auch dazu. Wir sind natürlich auch durch Tiefs gegangen, aber auch hier hat uns unser Investor Endress+Hauser den Rücken immer gestärkt und freigehalten.
Womit verbringen Sie heute Ihre Freizeit?
Wer rastet, der rostet. Und das möchte ich nicht. Ich brauche Menschen um mich herum. Ein zwar zeitaufwendiges aber stolzes Ehrenamt war in den letzten 6 Jahren den FC Carl Zeiss Jena e.V. als Präsident zu vertreten. Weiterhin hatte ich einige wissenschaftliche Beirats – und Aufsichtsratsmandate, wie z.B. Mitglied im Hochschulrat der EAH Jena oder Kuratorium des Leibniz Institut IPHT Jena. Aktuell bin ich als Geschäftsführer im Märchenwald Saalburg am Thüringer Meer tätig. Ich bin ganz in der Nähe in Schloss Burgk großgeworden. Hier im Freizeitpark Märchenwald können sich die Besucher für ein paar Stunden in die Märchenwelt „entführen“ lassen. Zusätzlich gibt es Fahrgeschäfte und ein Tiergehege, das für Abwechslung sorgt. Aber auch ich fühle mich hier sehr wohl, denn man hat immer freundliche und für ein paar Stunden glückliche Menschen um sich herum. Weiterhin bin ich auch noch Hauptgesellschafter eines kleinen Unternehmens aus Leipzig, das Diagnostik-Kits – zum Beispiel zur Erkennung von Parkinson oder Alzheimer – entwickelt, herstellt und vertreibt. Insofern bin ich nach wie vor immer noch ziemlich aktiv. So fühle ich mich wohl. Ich bin kein Typ für den Garten (lacht).
Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für die Zukunft!