Neue Therapiemöglichkeiten für bisher nur schwer behandelbare Erkrankungen: Das Jenaer Start-up SmartDyeLivery GmbH entwickelt eine Plattformtechnologie, die mithilfe von Nanopartikeln bestimmte Wirkstoffe gezielt an die Stellen im Körper transportiert, wo sie benötigt werden. Damit können Erkrankungen therapiert werden, für die es bislang kaum Behandlungsoptionen gab. Im Interview sprechen wir mit Geschäftsführer Dr. Marc Lehmann und bm|t‑Investmentmanager Stefan Jahn über die Frühphase der Unternehmungsgründung und worauf es beim Investment ankam.
Herr Jahn, was hat das Start-up denn so besonders gemacht?
Stefan Jahn: Ich kann mich noch gut erinnern, denn damals habe ich den Prozess noch als Junior-Investmentmanager begleitet. Der erste Kontakt kam über Prof. Dr. Ulrich Schubert, Mitgründer von SmartDyeLivery. Er hat uns die Idee vorgestellt, aber 2014 fehlte noch jemand, der das Management im Unternehmen übernimmt. Die drei Gründer hatten alle einen Hauptjob, den sie nicht aufgeben wollten. Das war die erste maßgebliche Bedingung von uns: Es muss ein fähiges Management gefunden werden – was dann in Person von Dr. Lehmann auch schnell besetzt wurde. Wichtig war uns außerdem ein Konzept, wohin es mit dem Unternehmen gehen soll sowie das Vorhandensein von Patenten. Letztlich entsprachen auch die Marktabschätzung und das Marktpotenzial den Erwartungen eines Investors. Die Fokussierung des Start-ups lag außerdem erst mal auf einer Indikation, in diesem Fall dem septischen Leberversagen. Das war ebenso ein wichtiger Punkt, denn am Unternehmensstandort in Jena ist ein starkes Sepsis- und Wissenschaftsnetzwerk vorhanden, sodass sich SmartDyeLivery in vorhandene Infrastruktur einmieten konnte. Besonders junge Unternehmen haben anfangs in der Regel nicht das Kapital, um sich Gerätschaften in diesem Segment zu beschaffen.
Wie ging es dann weiter?
Stefan Jahn: Wir gehen in dieser Phase der Unternehmensgründung dann auch mit dem Unternehmen gemeinsam auf die Suche nach passenden Co-Investoren. Nicht weil wir uns allein nicht trauen, sondern weil wir in dieser Frühphase öffentliches Kapital zur Verfügung stellen, welches mit privaten Kapital gematcht werden muss. Das ist der formale Aspekt. Aber es gibt natürlich auch noch andere Gründe, warum man gerne mit weiteren Kapitalgebern investiert. So gibt es anfänglich einen Plan, der plausibel aussieht. Auf dem Weg in Richtung Ziel gibt es aber immer Unwägbarkeiten, auf die man vorbereitet sein sollte. Hierfür empfiehlt sich also ein Puffer, um bestimmte Nachfinanzierungen leisten zu können. So wird letztlich auch der nächste Meilenstein erreicht, der ein Investment für weitere Investoren interessant macht. Zudem bringen weitere Kapitalgeber auch ergänzende Expertise mit, die für das Unternehmen hilfreich sein kann.
Marc Lehmann: Gerade im Bereich „Lifescience und Pharma“, der sehr kostenintensiv ist, kommt man in die Situation, in der man weitere Investoren benötigt. Gemeinsam mit der Sparkasse Jena-Saale-Holzland hat uns die bm|t zunächst eine Startfinanzierung ermöglicht.
Was war Ihnen vor Startfinanzierung wichtig?
Marc Lehmann: Für uns war eine faire Behandlung ganz wichtig. Zu Beginn eines Gründungsvorhabens blicken alle in gewisser Weise immer erst mal in die Glaskugel, auch wenn die Idee, der Markt sowie das klinische Problem gut beschrieben sind und Erfolg versprechen. Mit der bm|t hatten wir immer gute und faire Diskussionen.
Wie konnte die bm|t darüber hinaus unterstützen?
Marc Lehmann: Für uns war es besonders wichtig, in der bm|t einen Sparringspartner zu haben, der für private Investoren Expertise und Branchenkenntnis signalisiert. Über diesen Hebel haben wir es geschafft, messbares privates Kapital in unsere Unternehmung zu holen. Wir haben einfach ein unfassbares Glück, über ein Netzwerk aus Investoren, von der Sparkasse über bm|t und STIFT hin zu Privatinvestoren, zu verfügen, die unsere Idee tragen und auch wissen, dass dieses Vorhaben nicht in zwei Jahren zum Exit führt.
Wie haben Ihnen Gründungspreise und Events auf Ihrem Weg geholfen?
Marc Lehmann: Den Innovationspreis Thüringen haben wir 2015 gewonnen, noch bevor wir die erste Finanzierungsrunde überhaupt abgeschlossen haben. Inhaltlich hat uns der Preis geholfen, weil wir einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangt haben. Der Innovationspreis ist im deutschlandweiten Vergleich auch sehr hoch dotiert. Insofern kam das Preisgeld in Höhe von 20.000 Euro nicht ungelegen. Auch heute nutzen wir die Auszeichnung noch, auch für die Außendarstellung und zur Gewinnung zukünftiger Investoren.
Seit es uns gibt, präsentieren wir uns außerdem bei den Investor Days Thüringen. Nicht nur um neue Investoren anzusprechen, sondern um auch unsere privaten Investoren zu treffen, die durch das Event regelmäßig den Weg in unsere Gegend finden. 2022 waren wir als Wachstumsunternehmen dabei. Es ist ein toller Treffpunkt, auch um über den Tellerrand hinauszublicken. Wie präsentieren sich andere Start-ups? Was gefällt mir gut daran? Was kann ich noch besser machen?
Wie sehen Investmentrunden nach der Startfinanzierung aus?
Stefan Jahn: Bei Lifescience-Themen, wie sie die SmartDyeLivery bedient, haben wir gewisse inhaltliche Meilensteine, die man gut triggern kann. Wir schauen von Anfang an, wie viel Kapital benötigt wird, um die einzelnen Meilensteine zu erreichen. Jeder Meilenstein ist außerdem ein wichtiger Anhaltspunkt für die Akquise potenzieller neue Investoren. Wenn wir schon in einer frühen Phase zu der Einschätzung kommen, dass unsere Mittel und die der Co-Investoren nicht ausreichen, um den nächsten wichtigen Meilenstein zu erreichen, dann würden wir gar nicht erst investieren – auch wenn der Markt und das Geschäftsmodell noch so gut sind.
Marc Lehmann: Unsere Idee wurde an der Universität geboren und hat in späteren Versuchen gezeigt, dass daraus ein funktionsfähiges Produkt entwickelt werden kann. Das war das Ziel der ersten Finanzierungsrunden.
Ende 2021 haben Sie sich eine weitere Finanzierung in Millionenhöhe gesichert. Wie sind Ihre Visionen für die Zukunft?
Marc Lehmann: Das Produkt funktioniert in den bisherigen Untersuchungen wie gewünscht und kann im großen Maßstab produziert werden. Nun muss dieses Produkt aber auch umfangreich im Tiermodell und später am Menschen getestet werden und unterliegt zahlreichen regulatorischen Anforderungen. Dazu gehören sogenannte präklinische Testungen, die erfolgreich beendet werden konnten, aber auch die ersten Testungen am Menschen, in die eine größere Summe der letzten Finanzierungsrunden fließt. Am Ende der aktuellen Phase geht es darum zu zeigen, dass unsere Technologie sicher ist, was letztlich eine riesige Wertsteigerung für uns darstellt. Wenn diese Phase ebenso positiv verläuft, hat unser Unternehmen zwei Optionen: Mithilfe von Investoren können wir in einem weiteren Meilenstein testen, ob die Technologie am erkrankten Patienten wirksam ist. Zum anderen können wir aber auch über Lizensierungen oder verschiedene Exit-Szenarien nachdenken.
Vielen Dank für das Gespräch!
Mehr zu Fördermöglichkeiten im Lifescience-Bereich sowie dem Werdegang von der universitären Laufbahn zur Management-Funktion, erzählt Dr. Marc Lehmann im #TABinterview.