Herr Reeder, Sie feiern in diesem Jahr auch ein persönliches Jubiläum in der bm|t. Sie sind 2013 als Investment-Manager zur bm|t gekommen und haben 2017 die Geschäftsführung übernommen. Worauf sind Sie besonders stolz?
Mein Start als Geschäftsführer der bm|t im Jahr 2017 hätte glücklicher kaum sein können. Wir haben den IPO der InflaRx an der Nasdaq begleitet. Ich denke, wir waren die erste Länderbeteiligungsgesellschaft in Deutschland mit einem Nasdaq-Börsengang. Neben einer tollen Rendite für uns steigerte dieses Ereignis unseren Bekanntheitsgrad erheblich. Das war ein unglaublicher Erfolg! Hinzu kam, dass Facebook als allererste Investition in Deutschland die Thüringer fayteq AG erwarb, an der wir als Lead-Investor beteiligt waren. Von da an waren wir auf dem Radar aller Venture-Capital-Gesellschaften in Deutschland.
Seit 2017 haben wir zehn weitere Exits abgeschlossen. Diese gingen überwiegend an Unternehmen, die die übernommenen Thüringer Firmen als ihren Standort im DACH-Raum aufgebaut haben. Darauf können wir auch sehr stolz sein. Da „Venture Capital“ ein langfristiges Geschäft ist, sind die Erfolge der letzten Zeit aus der 20-jährigen Historie der bm|t geboren. Die harte Arbeit des Teams über zwei Jahrzehnte hat sich ausgezahlt.
In den letzten 20 Jahren hat aber auch unser Geschäftsmodell eine Transformation durchlaufen. Zu Beginn arbeiteten wir mit zahlreichen Fonds, mit denen wir allein investieren konnten. Heute haben wir bei jedem Investment starke Co-Investoren an unserer Seite. Wir haben uns erfolgreich zu einem Knotenpunkt in einem breiten Netzwerk von Investoren und anderen Partnern, die wir für Thüringen begeistern konnten, entwickelt.
Wie ist die bm|t entstanden?
In Thüringen gab es damals drei verschiedene Investmentfonds, die komplementär zueinander waren. Der Vorstandsvorsitzende der Thüringer Aufbaubank Matthias Wierlacher hatte die Idee diese Fonds in einer Gesellschaft zusammenzubringen. Das war genau die richtige Entscheidung, denn wir sind nun eine Einheit, die alle Phasen des Marktes – Früh‑, Wachstums- und Spätphase – bedient. In der Anfangszeit hat die bm|t mit zahlreichen mittlerweile namhaften Unternehmen, wie Jenoptik, Carl Zeiss Meditec, AnalytikJena oder X‑FAB zusammengearbeitet. Für die bm|t war es eine große Chance in größere etablierte Unternehmen zu investieren. Das ist auch ein wichtiger Unterschied zu anderen VC-Gesellschaften. Die bm|t ist nicht ausschließlich auf die Frühphase fokussiert. Weil wir den Weg mit diesen und vielen anderen Firmen über 20 Jahre gegangen sind, haben wir gelernt, wie aus einem kleinen Start-up ein großes Unternehmen wird. Das ist ein wertvoller Wissensschatz, den wir hier im Team haben.
Wie beeinflusst die aktuelle Marktsituation die Venture-Capital-Industrie?
Mit den niedrigen Zinsen waren die letzten zehn Jahre eine Zeit in der viele Investoren Wagniskapital für sich entdeckt haben. Wir sind gut durch die Corona-Pandemie gekommen – auch weil wir viel Schwung aus den vorherigen Jahren mitgenommen haben und über Finanzierungsinstrumente und ein Netzwerk verfügen, mit dem wir die Unternehmen unterstützen konnten. Aktuell stellen uns die geopolitischen Zerwürfnisse, die Energiekrise und die Inflation mit steigenden Zinsen vor Herausforderungen. Solche Rahmenbedingungen führen zu Unsicherheiten bei den Investoren, aber wir haben auch in 2023 gute Finanzierungsrunden und Exits geschafft.
Eine unserer größten Stärken ist es, dass wir ein sehr innovatives Portfolio aufgebaut haben – mit starken Unternehmen und bahnbrechenden Technologien. Egal ob ein oder fünf Prozent Zinsen – ich bin mir sicher, dass der Zinssatz nicht der entscheidende Faktor ist, ob solche High-Tech Unternehmen für Investoren attraktiv sind. Thüringen profitiert von einem säkularen Trend, denn unsere technologisch-starken Unternehmen werden zunehmend von der Welt entdeckt. Natürlich müssen wir weiter aktiv bleiben und Aufmerksamkeit für unsere Start-ups generieren. In diesem Sinn ist die bm|t nicht nur Investor, sondern auch Botschafter.
Was macht Thüringen für Investoren attraktiv?
Das Geschäftsmodell von Thüringer Start-ups liegt überwiegend im technologiegetriebenen Business-to-Business-Bereich. In solchen Modellen ist der Kapitalbedarf niedriger als in Business-to-Customer-Modellen, die beispielsweise überdurchschnittlich viel Geld für Marketing aufwenden müssen. Durch den niedrigeren Kapitalbedarf haben Investoren auch ein sehr gutes Risiko-Rendite-Verhältnis. Investoren, die sich niedriger auf der Risiko-Rendite-Kurve positionieren wollen, finden in Thüringen sehr spannende Investments, müssen aber auch Geduld für länger laufende technologische Entwicklungen haben.
Außerdem sind in Thüringen exzellente Innovationen vorhanden. Unser Fokus liegt auf den Stärken von Thüringen. Das sind Optics, Photonics, Robotics, Material Science und Life-Science – alles Bereiche, in denen sehr attraktive Bewertungen möglich sind.
Werfen wir einen Blick auf die andere Seite: Welche Besonderheiten bringt Thüringen als Standort für Gründer mit?
Start-ups profitieren von einem Hightech-Ökosystem mit zahlreichen Forschungsinstitutionen, Universitäten und Hochschulen. In Thüringen ist außerdem ein starkes Gründungsnetzwerk aus Investoren und Unterstützern vorhanden, bestehend aus der bm|t, der STIFT mit ihrem Accelerator- und Coaching-Programm, zahlreichen Beratungsangeboten des ThEx, der Thüringer Aufbaubank, der MBG Thüringen, Sparkassen und Ministerien. Wir arbeiten alle sehr eng zusammen. Egal an welcher Stelle ein Gründer ankommt, gibt es von allen Seiten die benötigte Unterstützung.
Die rooom AG schloss kürzlich eine Finanzierungsrunde über 17 Mio. Euro ab. Mit der Oncgnostics GmbH erobern in Thüringen entwickelte Technologien den chinesischen Markt. Wie läuft das bm|t‑Jahr 2023?
Zu Beginn des Jahres sind die Finanzierungsrunden noch sehr zäh gelaufen. Aber im April ist der Knoten geplatzt. Seitdem konnten wir eine lange Serie an siebenstelligen Finanzierungsrunden verzeichnen. Wenn mir jemand vor drei Jahren gesagt hätte, dass wir eine Pandemie, einen Krieg, Inflation und Lieferketten-Problemen durchleben, hätte ich mich gefragt, wo wir wohl stehen werden. Aber die bm|t und unsere Investee-Partners sind gut aufgestellt, was auch ein Zeichen von Resilienz ist.
Welche Pläne und Ziele gibt es für die Zukunft?
Wir haben eine tolle Marktstellung und Investments mit viel Potential. Mit dem Thüringer Zukunftsfonds II und dem WachstumsBeteiligungsFonds II haben wir in diesem Jahr zwei Fonds mit 55 Mio. Euro neu aufgelegt. Auch zwei weitere neue Fonds für die späteren Phasen sind in der Pipeline.
Worin ich in Thüringen noch Wachstumschancen für uns sehe, sind die etablierten Unternehmen, die beispielsweise eine Nachfolge suchen. Hier können wir mit der Stärkung des Eigenkapitals unterstützen. Auch die Erfahrung unseres Teams ist für dieses Marktsegment dienlich. Wir haben eine langjährige Betriebszugehörigkeit im Investment-Team, was ein ungemeines Verständnis für die Unternehmen in Thüringen mit sich bringt. Das kommt auch unseren aktuellen Investee-Partnern zugute.
Ich schaue sehr positiv in die Zukunft, denn ich hatte vor zehn Jahren das große Glück zu einem tollen Team zu kommen. Meine Rolle war es, ein paar neue Akzente zu einem sehr starken Fundament beizutragen.
Vielen Dank für das Gespräch!